Heute schon geatmet? Was für eine Frage! Das geschieht doch automatisch, mache ich jeden Tag, durchschnittlich 500 Millionen Mal im Leben: Atmen! Richtiges Atmen allerdings hat sehr großen Einfluss auf mein Wohlbefinden und bringt körperlichen und seelischen Nutzen. Aber in diesen wirren Zeiten voller Krisen und Kriege weltweit stockt mir der Atem, verschlagen mir die Nachrichten täglich den Atem. Gerade jetzt brauche ich sie: die Atempause, den Moment des Loslassens, des Stillwerdens und des Kraftschöpfens: den Blick auf das Wesentliche richten, Gedanken ordnen, die Seele erfrischen. Atempause ist biblisch, menschlich und heilsam.
Morgen, am 14. September, gibt es eine Atempause im Kloster Chorin. Wir feiern Kirchentag, Diakonietag und evangelisches Chorinfest. Alle sind eingeladen, mitzufeiern. Ganz besonders herzlich: Mitarbeitende in den diakonischen Einrichtungen des Kirchenkreises Barnim. Wer im sozialen Dienst arbeitet, erlebt das verschärft: Der Terminkalender diktiert den Takt, Sorgen und Bedürfnisse anderer Menschen füllen den Tageslauf. Für eigene Ruhe bleibt kaum Raum. Da wird der Kirchentag im ehemaligen Zisterzienser-Kloster eine willkommene Atempause. Wo vor Jahrhunderten Mönche Schweigen und Gebet pflegten, kommen jetzt Mitarbeitende der Diakonie zusammen, die mit ähnlicher Hingabe ihren Dienst am Menschen leisten – mitten im lauten Alltag.
Ein gemeinsamer Gottesdienst bietet Gelegenheit, Sorgen abzugeben, Kraft zu sammeln und neu Orientierung zu finden. Wer einen persönlichen Zuspruch sucht, tritt ins Segenszelt – ein kleiner Ort der Stille, wie eine Schutzhülle im Trubel. Am Ende gibt es ein fröhliches Konzert, das aus ernsten Gedanken ein Fest macht. Das alles wirkt wenig spektakulär, aber die Erfahrung lehrt: Wer nie innehält, kann anderen irgendwann nicht mehr mit voller Kraft zur Seite stehen. Wer den Atem bewusst fließen lässt, findet neue Kraft – für den nächsten Schritt, den nächsten Dienst, den nächsten Tag.
Andreas Lorenz, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Brodowin-Chorin